29. November 2014

Statement zu PEGIDA



Rassismus aus der „Mitte der Gesellschaft“

Warum wir gegen PEGIDA & Co auf die Straße gehen

In den vergangenen Monaten wurden die Stadt Dresden und ihre umliegenden Ortschaften Schauplätze rassistischer Hetze gegen Asylsuchende und Menschen muslimischen Glaubens. Selbsternannte Bürgerwehren protestieren vor geplanten Standorten von Unterkünften für Asylsuchende gemeinsam mit Neonazis gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und eine ihrer Ansicht nach drohende „Überfremdung“, während zur gleichen Zeit sogenannte „Patriotische Europäer“ Angst und Mistrauen gegenüber Muslimen schüren.
Unter dem Deckmantel des bürgerlichen Protestes werden Vorurteile verbreitet und gefördert, es wird vor der Zerstörung der deutschen Kultur und der eigenen Identität gewarnt und der Islam zum Feindbild erklärt. Gehetzt wird gegen all diejenigen, die ihre Heimat aufgrund von Krieg und Verfolgung verlassen müssen, die dort Mord, Folter, Vergewaltigung und anderen schrecklichen Verbrechen ausgesetzt sind, die wir uns nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Sie kommen nach Deutschland, zu uns, um hier eine Zuflucht zu suchen. Was sie hier dann vorfinden, sind viel zu häufig Vorurteile, rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung. In einer Situation, in der die Geflüchteten auf Solidarität, Mitgefühl und Barmherzigkeit angewiesen sind, haben einige Leute nichts Besseres zu tun, als zu versuchen, auch das letzte bisschen Hoffnung zu zerstören, das diese Menschen noch haben.
Die verschiedenen Gruppierungen, die seit Wochen auf Dresdens Straßen für eine weitere Verschärfung des Asylrechtes demonstrieren, mögen sie auch sehr unterschiedliche Teile der Gesellschaft repräsentieren, eint doch ihr nationalistisches und zum Teil auch sozialdarwinistisches Weltbild. Angetrieben von ihrer Angst und ihrem Hass gegenüber allem vermeintlich Fremden, werden sie auch in den kommenden Wochen auf Dresdens Straßen demonstrieren. Dem stellen wir uns in den Weg!

„Besorgte Bürger*innen“ und Nazis: Gemeinsam gegen „Asylanten“

Es ist vollkommen egal, wie viele „Bürger“ vor einer geplanten oder vorhandenen Flüchtlingsunterkunft protestieren, Initiatoren sind NPD und rechte Kameradschaften. Wer sich daran beteiligt, weiß das auch. Als in Ottendorf-Okrilla zum ersten mal 600 Neonazis und Anwohner*innen gegen das dort geplante Asylbewerberwohnheim protestierten, standen NPD-Funktionäre und bekannte Neonazis auf einem Dach und schrien ihre Hasstiraden in die Nacht, umjubelt von ihren Kameraden und „besorgten“ Bürger*innen gleichermaßen. In Dresden ist das nicht anders. Ob Klotzsche, Schönfeld-Weißig, Prohlis oder Leuben: Überall zeigen Menschen dieser Tage nur sehr wenig Respekt gegenüber dem im Grundgesetz verbrieften Recht auf Asyl. Manche fordern gar seine Abschaffung.

Asyl ist ein Menschenrecht

Dabei ist dieses Recht gerade auch aufgrund der deutschen NS-Vergangenheit in die UN-Menschenrechtscharta aufgenommen worden, denn als Nazi-Deutschland Europa mit Krieg und Leid überzog, flohen viele Verfolgte, vor allem viele Juden, in die USA und andere Staaten. Nach diesem von Deutschland ausgehenden Krieg wurde erkannt, dass es notwendig ist, Menschen vor Verfolgung Zuflucht zu gewähren.
Das Recht auf Asyl ist für uns unveräußerlich und darf in keiner Weise eingeschränkt werden. Der deutsche Staat hat die Angewohnheit, Flüchtlingen das Leben schwer zu machen. Die Lockerung der Residenzpflicht und die besseren Möglichkeiten für Asylbewerber, Arbeit zu finden, sind zwar Schritte in die richtige Richtung, doch reichen sie noch lange nicht aus, um die eklatanten Mängel bei Unterbringung und Versorgung Geflüchteter zu kompensieren.
Zivilgesellschaftliches Engagement ist für die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft von großer Bedeutung. Das Bürgerforum der Stadt Dresden hat gezeigt: Viele Menschen wollen Asylsuchende bei uns willkommen heißen und ihnen helfen. Wir wünschen uns darum eine stärkere Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen und die Einbeziehung der Bevölkerung.

Der Islam als Feindbild

Mit Sorge erfüllt uns nicht nur, dass Rechte in den vergangenen Wochen an Ortsbeiratssitzungen teilnahmen und dort lautstark fremdenfeindliche Parolen riefen. Auch sind wir entsetzt darüber, wie anschlussfähig Rassismus, Islamphobie und Nationalismus in Teilen der sächsischen Bevölkerung sind. Der wachsende Zuspruch für PEGIDA zeigt dies deutlich.
Als die Terrororganisation „Islamischer Staat“ im Juni 2014 ihre Großoffensive startete und in kürzester Zeit und durch Anwendung grausamster Gewalt große Teile des Iraks eroberte, waren wir alle fassungslos angesichts dessen, wozu Menschen fähig sind. Wir sahen die Schrecken eines durch religiösen Fanatismus hervorgerufenen Bürgerkrieges.
Was folgte war, wie wir es nicht anders erwarten konnten, eine weltweite Verbreitung von Angst und Panik. Und weil Furcht sehr oft auch Hass mit sich bringt, wurde wieder einmal eine gesamte Religion zum Feindbild erklärt. Dass radikale Islamisten gerade einmal einen Bruchteil der über 1,6 Milliarden weltweit lebenden Muslime ausmacht, rückte dabei, wie so oft, in den Hintergrund. Wer sich offen als Muslim zu erkennen gibt oder auch nur „südländisch“ aussieht, muss mit dem Misstrauen der Nachbarn und häufigen verdachtsunabhängigen Personenkontrollen durch die Polizei rechnen.

Die „bürgerliche Mitte“ und ihre diffusen Ängste

Als Mitte Oktober Kurdinnen und Kurden in Dresden mit einer Demonstration ihre Solidarität mit den Menschen in der belagerten syrischen Stadt Kobane zeigten, sahen die Initiatoren der nun seit 6 Wochen jeden Montag stattfindenden „Abendspaziergänge“ darin den Beweis dafür, dass nun Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden ausgetragen werden. Genauso grotesk wie diese Interpretation einer Demonstration, die sich gegen Krieg und religiösen Fanatismus richtete, ist der Name der anschließend gegründeten Gruppierung: „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, oder kurz: „PEGIDA“.
In kürzester Zeit bildete sich eine Gruppierung, die vorgibt, in der „bürgerlichen Mitte der Gesellschaft“ zu stehen und in der Tradition der Montagsdemonstrationen des Wendeherbstes 1989 friedlich gegen religiösen Fundamentalismus und zugleich auch für Demokratie und Freiheit zu demonstrieren. Dabei schreckt sie aber nicht davor zurück, zur Verwirklichung ihrer Ziele auch Bündnisse mit Hooligans und Rechtsextremen einzugehen.

Was wirklich hinter PEGIDA steckt

Zwar wurde von Beginn an stets betont, man sei eine gewaltfreie und bürgerliche Bewegung, doch kam es am 20. Oktober, dem Tag der ersten so genannten „Montagsdemonstration“, um den Protestzug immer wieder zu Verfolgungsszenen und gewaltsamen Übergriffen auf Linke und links aussehende Passanten. Als die Betroffenen versuchten, die Übergriffe bei den anwesenden Polizeibeamten anzuzeigen, wurde ihnen von diesen empfohlen, das Gebiet zu verlassen.
Wie passt es in das Konzept einer „friedlichen“ und „bürgerlichen“ Demonstration, wenn rechte Hooligans Jagt auf Andersdenkende machen? Nach den Ereignissen des 20. Oktobers war für uns jedenfalls klar, dass wir es nicht mit einer gutbürgerlichen Friedensdemo zu tun haben, sondern mit dem erneuten Versuch, Nationalismus in all seinen widerlichen Ausprägungen salonfähig zu machen.
Dies wird bereits deutlich, wenn man sich die Redebeiträge anhört, die vor und nach jeder Montagsdemonstration mantraartig vorgetragen werden. In diesen Reden wird stets vor der Gefahr einer Islamisierung gewarnt. Woran diese Islamisierung festgemacht wird, kann aber niemand erklären. Viel deutlicher umrissen wird das Meinungsbild von PEGIDA, wenn man sich die Einträge bei Facebook ansieht. Dort wird der Islam regelmäßig als „feindliche Religion“ bezeichnet. Abgesehen davon, dass die Angst vor einer Islamisierung absolut lächerlich ist, werden hier alle Muslime mit einigen wenigen Fundamentalisten gleichgesetzt. Weiterhin wird offen gegen Asylsuchende gehetzt. Dabei werden alle Ausländer unter Generalverdacht gestellt, kriminelle Machenschaften im Sinn zu haben.

Was PEGIDA von der Meinungsfreiheit hält

Vorurteile und rassistische Diskriminierung gehören bei PEGIDA ebenso zum guten Ton, wie die Hetze gegen „linksfaschistische Gutmenschen“ und die „Mainstream-Medien“. Zwar wird stets beteuert, man setze sich für Pressefreiheit ein, doch wehe dem Journalisten, der es wagt, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen. Auch beruft sich PEGIDA pausenlos auf das Recht der freien Meinungsäußerung, gleichzeitig werden aber Mitdemonstrierende zum Schweigen verdonnert und bei Facebook die Kommentare der eigenen Anhängerschaft zensiert. Auch als Gegner der Bewegung muss man mit Zensur rechnen. Auf der offiziellen Facebook-Seite wird offen dazu aufgerufen, kritische Kommentare zu melden.
Auch vor Äußerungen unter Verwendung des NS-Wortschatzes schrecken die Initiatoren nicht zurück. Als das Bündnis Dresden Nazifrei zum Gegenprotest aufrief, schrieben die Organisatoren höchst selbst:
„Das ist ein Skandal und für uns muss es jetzt heißen: Kein Fuß breit den Staats- und Volksfeinden!“
Das Wort „Volksfeind“ entstammt der NS-Propaganda. So wurden zur Zeit des „Dritten Reiches“ Juden, Kommunisten und Oppositionelle bezeichnet und ihre Verfolgung legitimiert. Hier wird deutlich, wie diese Gruppierung tatsächlich über Freiheit und Demokratie denkt. Die Anhänger sind mitunter noch radikaler in ihren Ansichten, was vor allem viele Kommentare auf der offiziellen PEGIDA-Facebookseite belegen.
Auch wird nicht vor Drohungen zurückgeschreckt. So erhielten die Macher der kritischen Plattform „PEGIDA-Watch“ Morddrohungen von PEGIDA-Anhängern. Es kann also niemand ernsthaft behaupten, PEGIDA sei eine Bewegung für Frieden, Freiheit und Demokratie.

Rassismus im ganzen Land – Unsere Antwort: Widerstand!

Angesichts dieser Auswüchse können wir nicht länger akzeptieren, dass PEGIDA und andere fremdenfeindliche Gruppierungen ungestört durch Dresdens Straßen ziehen. Wir fordern daher alle Menschen zum aktiven Gegenprotest auf! Wenn jemand versucht, die Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit mit Hetze und Drohungen einzuschränken, wenn Vorurteile gefördert und rassistische Diskriminierung betrieben sowie die Würde des Menschen und das Recht auf Asyl mit Füßen getreten werden, darf dies nicht unwidersprochen bleiben!

Wir, die GRÜNE JUGEND Dresden, treten für eine weltoffene Gesellschaft ein, die alle Menschen, egal woher sie kommen und egal welche Sprachen sie sprechen, willkommen heißt. Wir kämpfen für die Freiheit der Meinung, des Glaubens und des Gewissens und wir kämpfen für eine Welt, in der jeder Mensch jederzeit an jedem Ort frei seine Persönlichkeit entfalten kann. Darum sagen wir:
Grenzen auf: überall! Stacheldraht zu Altmetall!

 



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